Ein ungewöhnlicher Begriff gab einem eindrucksvollen IT Projekt seinen Namen: APPALOOSA. Doch was nach Westernromantik mit Pferden klingt, hat hier eine handfeste, informationstechnologische Bedeutung: APPALOOSA steht für „Application for Automotive Logistics on SAP R/3“. Projektgegenstand war die Ablösung des von Siemens VDO eigenentwickelten Logistikund Vertriebssystems DIVA durch die Standardsoftware SAP R/3. Das dahinterstehende Projekt war ein Gemeinschaftswerk der IO Abteilung von Siemens VDO Automotive unter Mitarbeit aus den Fachbereichen und seinem langjährigen IT Dienstleister, dem Duisburger System- und Beratungshaus it-motive AG.
Application for Automotive, Logistics on SAP
Im Mittelpunkt des APPALOOSA Projektes standen die Standardisierung und Modernisierung der Logistik- und Vertriebssysteme von Siemens VDO Automotive. Dies war notwendig geworden durch die Ablösung von DIVA, einer BS 000 Mainframe Applikation, durch die SAP R/3 Software.
Beteiligt waren sowohl Siemens VDO Standorte als auch externe Versorgungszentren in Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Projektziele waren die Ablösung des Altsystems durch SAP R/3, die Verbesserung der Geschäftsprozesse und die Erhöhung der Informationsqualität.
Eine wesentliche Vorgabe für das Projekt war, dass die Versorgung der Siemens VDO Kunden während der Inbetriebnahmen nicht gefährdet werden durfte. Eingebunden in dieses Projekt waren Mitarbeiter von Siemens VDO aus den Bereichen IO, Logistik, Vertrieb und Produktion sowie bis zu 16 it-motive Mitarbeiter (zeitweise 8 Berater, 5 Entwickler und 3 Trainer). Auf der Seite von it-motive war Matthias Heming, Vorstandsmitglied der it-motive AG, für die technische Koordination des Projektes verantwortlich.
Durch die Umstellung auf SAP R/3 war der Ersatz der alten Mainframe Plattformen notwendig geworden. Die BS2000 Systemplattform konnte mittelfristig nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Eine Prozess-Standardisierung war erforderlich geworden. Zudem sollten neue Technologien genutzt werden können, um die Business Prozesse zu optimieren. Funktional mussten einige Anwendungskomponentenvon SAP R/3 neu eingeführt werden, beispielsweise Sales and Distribution, Production Planning, WarehouseManagement sowie das Automotive Package zur Abbildung branchenspezifischer Lösungen. Auch eine Überprüfung und Anpassung von bereits produktiven Anwendungskomponenten war notwendig geworden: Im Bereich Material Management entfiel die Materialbuchhaltungs-Schnittstelle (ursprünglich war DIVA das führende System für viele Logistik-Bewegungen) und der Wareneingangsprozess wurde neu gestaltet.
Eine besondere Bedeutung für den Projektstart hatte die Phase Projektinitialisierung, in der im Wesentlichen die Projektbeschreibung sowie die Projekt- und Systemstandards definiert wurden. Das Projekt wurde im Oktober 2001 dem Vorstand vorgestellt. Im Mai 2002 startete dann das Projekt APPALOOSA und wurde innerhalb von 30 Monaten inklusive einer ausgereiften Planungs-, Vorbereitungs- und Initialisierungsphase realisiert. Gerade in der Initialisierungsphase wurden entscheidende Weichen gestellt. Das Initialisierungsteam gab dem Projekt den entscheidenden Rahmen. Die Zusammenarbeit zwischen Siemens VDO und it-motive begann bereits zu der Zeit, als VDO noch ein Teil des Mannesmann Konzerns war.
Für it-motive als externen Beratungspartner sprach das umfassende SAP Know-how in Kombination mit einem großen Verständnis der Automotive Industrie. Norbert Wiest, General Manager IO Manufacturing & Logistics Siemens VDO, erzählt: „Wir kannten die hervorragende fachliche und soziale Kompetenz der it-motive Mitarbeiter. Denn das Fachwissenalleine ist zwar wesentlicher Bestandteil, aber bei einem solch komplexen Projekt sind die sozialen Aspekte der Zusammenarbeit ebenso wichtig.“
Gemeinsam entwickelte das Projektteam die gesamte Infrastruktur, stellte ein Best Practice System bereit, entwickelte die einzelnen Projektschritte und spielte verschiedene Szenarien durch. Im Vorfeld wurden auch die Grundsätze für die Projektarbeit fest elegt, ein wesentlicher Rahmen, der für alle Projektmitarbeiter verbindlich war. Das reichte von der Definition des Projektes als Projekt der Fachbereiche bis hin zur Verpflichtung der Projektmitarbeiter, zur Akzeptanzsicherung des Projektes beizutragen. “Dies war,” so Norbert Wiest, “eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir während des Projektverlaufs die Regeln mit extrem hoher Güte durchhalten konnten.” Alle Projekt mitarbeiter – intern wie extern – wurden zusammengeführt und in das Team integriert.
Eine weitere entscheidende Projektklammer stellte der Fachentscheiderkreis dar, der für die Ab nah me des Business Blueprints und für die teilprojektspezifischen Entscheidungsvorlagen und Systemerweiterungen verantwortlich war. Der Fachentscheiderkreis bestand aus 8 Personen. Oberste Kontroll- und Genehmigungsfunktion war der Lenkungskreis, der die strategische
Ausrichtung, Kosten und Termine kontrollierte.
Nach der Projektvorbereitung erfolgte die umfassende Erstellung eines Business Blueprints, der die Basis für die Realisierungsphase war. Für diese Phase hielt it-motive eigene SAP-Systeme (DI46C inklusive best practice for automotive) vor, um einzelne Prozessabläufe zu simulieren, ohne dass es zu ein schneidenden Folgen für die SV-Systeme hätte kommen können. Anschließend folgte die Vorbereitung der Go Lives, die Migration der einzelnen Anwendungen, Tests sowie die Schulung der Anwender. In der Realisierungsphase war oberstes Gebot, dass die Kunden nichts vom Produktivgang des Projektes mitbekommen sollten. Deshalb wurde eine schrittweise Einführungsstrategie gewählt.
Vier Teilprojekte mit insgesamt 7 Go Lives bildeten den Rahmen: Teilprojekt 1 umfasste die Bereiche Fertigungsplanung, Disposition und Auftragsverwaltung. Wesentlich war die werksübergreifende Disposition für die beteiligten Werke. Im August 2003 erfolgte der erste Go Live.
Teilprojekt 2 konzentrierte sich auf die Bestandsführung in den Teilelagern mit werksweisen Produktivsetzungen. Pro Werk erfolgte die Umstellung des Teilelagers und im zweiten Schritt die gesamte Produktionsumstellung. Teilprojekt 3 umfasste die Bestandsführung in der Fertigung, die Produktionsrückmeldung und die Materialversorgung. Hier wurden die Inbetriebnahmen bereichsweise durchgeführt. Teilprojekt 4 beinhaltete den Vertrieb, die Kundenlogistik und den Versand. Die Inbetriebnahmen erfolgten kundenweise. Die Teilprojekte 3 und 4 wurden dabei parallel umgesetzt. Bei den jeweiligen Teilprojekten standen die Bedürfnisse und Spezialanforderungen der Kunden oder Standorte im Mittelpunkt. Beispielsweise erfolgten die Go Lives in der Produktion Babenhausen mitten im normalen Arbeitsbetrieb an vier Dienstagen, in Dortmund am Wochenende. „Durchschnittlich alle zehn Arbeitstage erfolgte ein Go Live,“ erläutert Norbert Wiest, „so dass die Arbeitsbelastung aller Projektmitarbeiter erheblich war.“